Im 6. Jahrhundert nach Christus hatten buddhistische Mönche ein Problem: Durch das stundenlange Stillsitzen beim Meditieren ging ihre körperliche Kraft verloren. Die Geistlichen wurden unbeweglich, ihre Muskulatur baute ab. Ein beklagenswerter Zustand, dem Mönche des chinesischen Shaolin-Klosters den Kampf ansagten: Sie entwickelten die sanfte – aber sehr effektive – Zen-Gymnastik: Übungen, die dem Körper Kraft, Beweglichkeit und Energie zurückbringen.

Übungen, die auch uns helfen können: Denn ähnlich wie vor über 1.500 Jahren die buddhistischen Mönche, bewegen auch wir uns heutzutage viel zu wenig und leiden unter den daraus folgenden Gesundheitsproblemen. Zen-Gymnastik ist leicht zu erlernen. Das Training ist daher auch für Senioren geeignet. Oder für Menschen, die nach einer Operation oder einer längeren Krankheit wieder zu körperlichen Kräften kommen wollen.

 

Viele Vorteile – nicht nur für Ältere

Das Wort „Zen“ (gesprochen Sen) kommt ursprünglich aus Indien und heißt so viel wie „Sammlung des Geistes“. Soll bedeuten: Zen-Gymnastik hilft, sich auf das hier und jetzt zu besinnen. Ängste, Sorgen und Probleme werden zur Seite geschoben. Grundlage der Zen-Gymnastik sind langsame und bewusste Bewegungen, die sowohl im Stand als auch im Liegen auf einer Matte durchgeführt werden. Insgesamt gibt es 108 verschiedene Übungen. Bei einigen werden innere Organe massiert, so wie der Darm. Dadurch wird die Verdauung angekurbelt, einer Verstopfung vorgebeugt. Die Übungen schulen außerdem das Konzentrationsvermögen – das hilft nicht nur Senioren beispielsweise sicherer am Straßenverkehr teilzunehmen. Andere Übungen trainieren das Gleichgewicht – was eine ideale Sturzprophylaxe ist.

Kurzum: Regelmäßig trainiert, hilft Zen-Gymnastik im Alltag fest auf beiden Beinen zu stehen. Bereits nach einigen Trainingseinheiten laufen die Bewegungen geschmeidig ab. Das wirkt besonders der im Alter häufig auftretende „Steifheit“ entgegen – und den damit einhergehenden Bewegungsstörungen. Und mehr Beweglichkeit verbessert die Lebensqualität in vielerlei Art und Weise: Man kommt morgens besser aus dem Bett, ist beweglicher bei der Haus- und Gartenarbeit oder steigt schneller in ein Auto ein.

 

Zen-Gymnastik wirkt auf Meridiane

Zen-Gymnastik sorgt außerdem für einen Ausgleich der beiden – in der chinesischen Philosophie bedeutsamen – Urkräfte Yin und Yang. Sind diese beiden im Körper nicht ausgeglichen, so die Theorie, kommt es zu Gesundheitsproblemen. Yin ist die passive, kühle, langsame Kraft. Die Yang-Kraft ist aktiv und schnell. Beide kommen gleichermaßen während der Übungen zur Geltung: Während des bewussten Einatmens ist die Yang-Kraft aktiv, beim entspannenden Ausatmen die Yin-Kraft. Passend zur Atmung sind die Übungsabläufe meist zwei-, oder auch mehrphasig angelegt. So wird eine Bewegung beim Einatmen in die eine Richtung, beim Ausatmen in die andere Richtung ausgeführt. Man steht beispielsweise auf einem Bein und umfasst das gebeugte Knie. Beim Ausatmen zieht man das Bein an den Oberkörper, beim Einatmen nimmt man wieder die Ausgangsstellung ein.

Ähnlich wie bei den Bewegungsübungen des Yoga – oder auch wie beim Qigong – wirkt Zen-Gymnastik beruhigend. Viele der Zen-Übungen wirken auf die Meridiane. Also die „Leitbahnen“ im Körper, in denen – nach Ansicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) – die Lebensenergie fließt. Auf den Meridianen liegen auch die sogenannten Akupunkte, die bei Akupunktur – oder bei der Akupressur – behandelt werden. Die Zen-Gymnastik sorgt also ganz gezielt dafür, dass Lebensenergie ungestört durch die Leitbahnen fließen kann. Denn wäre dieser Fluss gestört, so kann es – nach Ansicht der TCM – beispielsweise zu Organschäden kommen. Ähnlich wie auch beim Pilates werden zahlreiche Muskeln des Körpers trainiert. Allerdings sind die Übungen nicht so „kräftezehrend“ wie beim Pilates, man fühlt sich anschließend nicht „ausgepowert“. Auch deshalb ist Zen-Gymnastik auch für ältere Menschen geeignet.

 

Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, Zen-Gymnastik einmal auszuprobieren. Angeboten wird die Methode beispielsweise von Sportvereinen oder auch den meisten Volkshochschulen (15 Übungsstunden für etwa 70.- Euro). Einzeltraining bei einem Personal-Trainer gibt es für 90.- Euro pro 60 Minuten. Die Übungsstunden laufen meist einheitlich ab: Am Anfang jeder Trainingsstunde meditiert man für zehn Minuten. Dann folgen Übungen jeweils 20 Minuten im Stehen und auf der Matte, anschließend nochmals eine meditative, entspannende Abschlussphase. Schon nach wenigen Übungsstunden fühlt man sich körperlich und seelisch wie befreit – genau wie vor 1.500 Jahren die buddhistischen Mönche, nachdem sie bemerkt hatten, dass der Körper zum Wohlfühlen mehr braucht als stundenlanges Sitzen.