Im 6. Jahrhundert nach Christus hatten buddhistische Mönche ein Problem: Durch das stundenlange Stillsitzen beim Meditieren ging ihre körperliche Kraft verloren. Die Geistlichen wurden unbeweglich, ihre Muskulatur baute ab. Ein beklagenswerter Zustand, dem Mönche des chinesischen Shaolin-Klosters den Kampf ansagten: Sie entwickelten die sanfte – aber sehr effektive – Zen-Gymnastik: Übungen, die dem Körper Kraft, Beweglichkeit und Energie zurückbringen.
Viele Vorteile – nicht nur für Ältere
Das Wort „Zen“ (gesprochen Sen) kommt ursprünglich aus Indien und heißt so viel wie „Sammlung des Geistes“. Soll bedeuten: Zen-Gymnastik hilft, sich auf das hier und jetzt zu besinnen. Ängste, Sorgen und Probleme werden zur Seite geschoben. Grundlage der Zen-Gymnastik sind langsame und bewusste Bewegungen, die sowohl im Stand als auch im Liegen auf einer Matte durchgeführt werden. Insgesamt gibt es 108 verschiedene Übungen. Bei einigen werden innere Organe massiert, so wie der Darm. Dadurch wird die Verdauung angekurbelt, einer Verstopfung vorgebeugt. Die Übungen schulen außerdem das Konzentrationsvermögen – das hilft nicht nur Senioren beispielsweise sicherer am Straßenverkehr teilzunehmen. Andere Übungen trainieren das Gleichgewicht – was eine ideale Sturzprophylaxe ist.
Zen-Gymnastik wirkt auf Meridiane
Zen-Gymnastik sorgt außerdem für einen Ausgleich der beiden – in der chinesischen Philosophie bedeutsamen – Urkräfte Yin und Yang. Sind diese beiden im Körper nicht ausgeglichen, so die Theorie, kommt es zu Gesundheitsproblemen. Yin ist die passive, kühle, langsame Kraft. Die Yang-Kraft ist aktiv und schnell. Beide kommen gleichermaßen während der Übungen zur Geltung: Während des bewussten Einatmens ist die Yang-Kraft aktiv, beim entspannenden Ausatmen die Yin-Kraft. Passend zur Atmung sind die Übungsabläufe meist zwei-, oder auch mehrphasig angelegt. So wird eine Bewegung beim Einatmen in die eine Richtung, beim Ausatmen in die andere Richtung ausgeführt. Man steht beispielsweise auf einem Bein und umfasst das gebeugte Knie. Beim Ausatmen zieht man das Bein an den Oberkörper, beim Einatmen nimmt man wieder die Ausgangsstellung ein.
Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, Zen-Gymnastik einmal auszuprobieren. Angeboten wird die Methode beispielsweise von Sportvereinen oder auch den meisten Volkshochschulen (15 Übungsstunden für etwa 70.- Euro). Einzeltraining bei einem Personal-Trainer gibt es für 90.- Euro pro 60 Minuten. Die Übungsstunden laufen meist einheitlich ab: Am Anfang jeder Trainingsstunde meditiert man für zehn Minuten. Dann folgen Übungen jeweils 20 Minuten im Stehen und auf der Matte, anschließend nochmals eine meditative, entspannende Abschlussphase. Schon nach wenigen Übungsstunden fühlt man sich körperlich und seelisch wie befreit – genau wie vor 1.500 Jahren die buddhistischen Mönche, nachdem sie bemerkt hatten, dass der Körper zum Wohlfühlen mehr braucht als stundenlanges Sitzen.