Melatonin: Durch “Energie sparen” kann man das Leben verlängern. Ein Kraftfahrzeug, das permanent hochtourig benutzt wird, weist früher Schäden auf, als ein langsam gefahrenes Auto. Ähnliches gilt auch für den menschlichen Körper. Je länger er eine höhere Tourenanzahl verwendet, umso schneller altert er.

Melatonin drosselt die Leistung von körpereigenen Systemen

Unser Körper besitzt verschiedene Mechanismen, über die seine Leistungsstärke programmiert werden kann. Das kleine Hormon Melatonin, das unseren Organismus durchströmt, ist ein Signalstoff, der die Leistungsfähigkeit verschiedener Körperteile vermindert, dadurch aber die Lebensdauer erhöht. Letzten Endes ist es eine Frage der Philosophie, wofür man sich zwischen beiden Möglichkeiten entscheidet; wählt man so wie im Trojanischen Krieg das Los des Archilles, und damit ein kurzes, aber dafür umso intensiveres Leben – oder verzichtet man auf permanent energieverbrauchende Aktionen und kann so aber den Körper vor Schäden bewahren.
Das Melatonin friert Zellenorgane und biochemische Reaktionen ein, es ist tatsächlich das Hormon des Winterschlafes, das für die Anti Aging Strategien große Bedeutung bekommt. “Hibernisation” bedeutet das Bestreben, in unnötigen Situationen biologische Kraftwerke zu drosseln, Energie zu sparen und damit die Lebensdauer einzelner Organe zu prolongieren.

 

Gebildet wird das Melatonin in der Epiphyse, die sich im Gehirn des Menschen befindet, bei niedrigen Wirbeltieren, Amphibien, aber auch bei Vögeln ist diese Drüse ebenfalls vorhanden, und hat durch eine dünne Membran am Kopf Kontakt zur äußeren Lichtsituation. Verringert sich in den Abendstunden die Sonneneinstrahlung und kündigt so die Nacht an, so steigt unter dem Einfluß des sinkenden Sonnenstandes der Melatoninspiegel an und vermittelt den unzähligen Systemen unseres Körpers eine homologische Botschaft.
Daß die Nacht der Regeneration dient, ist keine Kulturleistung, sondern Folge einer Hormonumstellung, die durch das Melatonin vorgenommen wird. Diese Botschaft, die die Sonne unserem Körper mitteilt, ist auch beim Homo sapiens erhalten geblieben, wiewohl im Rahmen der Evolution die Zirbeldrüse von der äußeren Lichteinstrahlung völlig abgeschirmt wurde. Dafür steht sie mit dem Auge in direktem Kontakt: Lichtempfindungen werden von der Netzhaut über eine eigene Nervenleitung in das Rückenmark und von dort an die Pinealdrüse weitergegeben. Damit wird auch die menschliche Epiphyse, obwohl sie durch die Schädeldecke von der Außenwelt abgeschirmt ist, mittels der Augen über den Tag-/Nachtrhythmus informiert und ändert auch beim Menschen dementsprechend ihre Aktivität.

Der Rhythmus des Melatonins

Im Morgengrauen und während des Tages wird wenig Melatonin gebildet, in der Dämmerung und in der Nacht hingegen kommt es zu einer vermehrten Synthese, das kleine Hormon durchwandert in hoher Konzentration unseren Körper und bietet jeder Zelle und jedem Organ die Möglichkeit an, weniger zu arbeiten. Billionen von Zellen reduzieren dabei ihre Energiemoleküle, über die Hormone Botschaften vermitteln, Muskel sich kontrahieren und Nahrung verdaut wird. Die Energieperlen (G-Proteine) weisen eine Ähnlichkeit zum Melatonin auf und können so durch das kleine Hormon in ihrer Energiefreisetzung reduziert werden.
Diese bremsende Wirkung des Melatonin wurde erstmals bei seinen Stoffwechselvorgängen, die die Fortpflanzung benötigt, bekannt. Das Melatonin wirkt auf Eierstöcke und Hoden aktivitätshemmend. Es wurde deshalb im Mittelalter als “Keuschheitshormon” bezeichnet. Muß den Kindern die Hirnanhangsdrüse wegen Unfällen entfernt werden, so stellte sich sofort die Pubertät ein. Dies war einer der ersten Hinweise für die blockierende Wirkung des Melatonins auf das Fortpflanzungssystem.

 

Tatsächlich benötigt die Reproduktion hohe Mengen an Energie; spart auf diesem Sektor der Körper, so schützt er sich gleichzeitig vor unnötigen “Verschleiß”. Dies ereignet sich in unseren Regionen vor allem im Winter, in dem sich Säugetiere normalerweise nicht fortpflanzen, da Kälte und Nahrungsmangel ungünstige Voraussetzungen für neugeborene Tiere schaffen. Deshalb sthermometer-15tellt das Melatonin bereits im Herbst, unter dem Einfluß der kürzer werdenden Tage und des dadurch weniger zur Verfügung stehenden Lichtes all jene Systeme ruhig, die der Fortpflanzung dienen. Dies reicht von Vorgängen im Gehirn, in der Hirnanhangsdrüse bis zu den Keimzellen. So wird Energie eingespart, die umgekehrt völlig unnötig, ja kontraproduktiv eingesetzt wäre.
Den eindruckvollsten Spareffekt erzielt das Melatonin jedoch über das Absinken der Körpertemperatur; daß unterkühlte Organe weniger schnell arbeiten, dafür aber – selbst wenn der Blutkreislauf unterbrochen ist -, länger überleben, ist ebenfalls seit Jahrzehnten bekannt und wird in der Herzchirurgie auch genützt. Reduziert sich die Körpertemperatur, so arbeiten gleichzeitig alle biologischen Systeme, die Wärme benötigen, langsamer; dies trifft auf alle lebenden Zellen zu, da das Prinzip des Lebens, die Energiebildung mit einer gewissen Wärmesynthese verbunden ist. Sinkt die Temperatur, so sinkt auch die Fähigkeit der Zelle, energiereiche Reaktionen durchführen zu können.

 

Dieser klassische Hibernisation-Effekt wird eine hohe Bedeutung in der Altersforschung bekommen: hypotherme Zustände unterbrechen förmlich das frische Leben mit all seiner Degeneration und ermöglichen dem Körper,Reparaturvorgänge zu tätigen, die er im Hochgeschwindigkeitszustand nicht vornehmen kann. Auch hier bietet sich der Vergleich mit einem Motorkraftfahrzeug an: Bei niedriger Geschwindigkeit ist es leichter, auch am noch fahrenden Auto kleine Schäden an Scheibenwischer, Fenster usw. auszubessern, Aktionen, die bei hoher Geschwindigkeit unmöglich werden. Deshalb reduziert automatisch jeder Autofahrer die Geschwindigkeit, wenn er während der Fahrt kleine Korrekturen an seinem Fahrzeug vornehmen möchte.
Im Alter sinkt die Fähigkeit des Körpers, seine nächtliche Temperatur zu senken, ein folgeschweres Defizit, das in der Medizin noch viel zu wenig berücksichtigt wurde. Durch eine Melatoninzufuhr gelingt es, den nächtlichen Kühlschrankeffekt wieder zu restaurieren und damit dem Alterungsprozeß eine zumindest für die Stunden der Nacht langsamer Geschwindigkeit vorzugeben.
Allerdings ist es gerade dabei von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, den Magen und den Darmtrakt leer zu halten, um den temperaturabsenkenden Effekt garantieren zu können. Muß nach einer nächtlich verzehrten Mahlzeit der Körper diese verdauen, so wird er auf die temperatursenkenden Signale des Melatonin nicht hören, sondern seine biochemischen Verdauungsreaktionen exekutieren, womit genau das Gegenteil erreicht wird, nämlich Energiegewinnung und Körpertemperaturanstieg.

Es ist nicht verwunderlich, daß das Melatonin auch den Kreislauf und das Herz schützt

Das Adrenalin ist ein Gegenspieler des Melatonins und in seiner chemischen Struktur diesem vergleichbar. Es ist das “Energiehormon”, das den Körper überall dort mit Kraft versorgt, wo er sie gerade benötigt, in Situationen der Gefahr, der körperlichen Anstrengung und des Streßes, Momente also, die bekanntlich lebensverkürzend wirken. Die adrenalinvermittelten körperlichen Leistungen bedürfen viel Energie und gehen vor allem mit einer Erhöhung des Blutdruckes, der Herzfrequenz und des Zuckerverbrauches einher.
Auch auf dieser Ebene wirkt das Melatonin dem hohen Energiekonsum entgegen: es senkt die Streßhormone, reduziert den Blutdruck und schützt damit das Herz. Herzkreislaufkranke Menschen weisen vor allem in der Nacht einen niedrigen Melatoninspiegel auf und entwickeln dementsprechend präferentiell nächtens einen hohen Blutdruck bzw. andere Herzkreislaufkomplikationen.

 

Derzeit laufen klinische Untersuchungen die nicht nur den Zusammenhang zwischen Melatonin und Streßsystem bekräftigen sollen – denn der ist ja bekannt – sondern die überprüfen, ob bei herzkreislaufgeschwächten Menschen das Melatonin vorbeugend eingesetzt werden kann.
Da das Melatonin auf alle unsere Systeme beruhigend, reduzierend, “einschläfernd” wirkt, ist sein schlafvermittelnder Effekt verständlich. Unmittelbar vor dem Schlafen eingenommen, können 0,5 – 1 mg Melatonin – diese geringe Dosierung genügt in den meisten Fällen – die Schlafqualität entscheidend verbessern, was als klinischer Ausdruck dafür gewertet werden kann, daß es in der Nacht den Körper tatsächlich gelingt, auf Sparflamme zu gehen und so den Alterungsprozeß durch die Nacht zu blockieren. Allerdings können verschiedene Medikamente das Melatonin in seiner Freisetzung stören.

Alkohol und Nikotin sind Gegenspieler des Melatonins

Alkohol und Nikotin gehören zu den großen Gegenspielers des Melatonins, da sie nicht nur den Körper stimulieren und im Falle des Alkohols auch mit viel Energie versorgen, sondern weil beide Stoffe die Bildung des Melatonins aus dem Serotonin in der Epiphyse verhindern. Gleiches gilt übrigens auch für das Aspirin, welches ebenfalls die Melatoninbildung unterdrückt; aber auch bestimmte Medikamente wie Calcium-Antagonisten und Beta-Blocker schaffen im Körper einen Melatoninmangel; Menschen die unter diesen Therapeutika stehen, können mitunter schlecht schlafen; der Melatoninmangel ist dafür die Erklärung.
Das Melatonin stellt viele körperliche Funktionen ruhig. Der Organismus fährt langsamer und hat dadurch Zeit, in der Nacht jene Systeme zu reparieren, die am Tag zerstört worden sind. Dazu bedient er sich vor allem der weißen Blutzellen, die als Polizisten in unserem Körper Schadstellen aufsuchen, sie reparieren oder wenn dies unmöglich ist, die ganze Zelle zerstören. Vor kurzem wurde bekannt, daß Melatonin in der Lage ist, sich an T-Lymphozyten zu binden, und damit ihre Aktivität zu beeinflußen. Dies hängt allerdings von der Blutkonzentration des Melatonins ab.

 

Ist sie gering, so binden sich nur wenig Melatoninmoleküle an die Lymphozyten. Ist in der Nacht das Melatonin ausreichend vorhanden, so kann es diese weitgehend noch unbekannte immunologische Funktion wahrnehmen. Details von dieser in der Vergangenheit nicht für möglich gehaltenen Aufgabe des Melatonins werden erst langsam bekannt: Melatonin stimuliert die weißen Blutzellen bestimmte Hormone zu bilden, die für die Blutbildung notwendig sind. Dadurch können zerstörte Blutzellen unter dem Einfluß des Melatonins neu aufgebaut, bzw. nachgebildet werden, was
Wenn sich unter dem Einfluß des Melatonins Zellen langsamer teilen, und Gewebe nicht mehr so schnell wächst, so hat dies zweifellos auch seine Bedeutung auf die Entstehung von Krebs, der sich ja durch ein ungehemmt schnelles Zellwachstum auszeichnet. Beim Prostatakarzinom konnte man als erstes den Einfluß des Melatonins auf die Tumorentstehung illustrieren. Patienten mit diesen Malignom haben deutlich niedrigere Melatoninspiegel als gesunde Männer in der gleichen Alterskategorie.
Dies war nicht erstaunlich, da man ja schon seit längerer Zeit wußte, daß Melatonin die Hormonproduktion der Frau, aber auch des Mannes reduziert. Das Testosteron des Hodens ist für die Entwicklung und für die Entstehung des Prostatakarzinoms von großer Wichtigkeit. Durch seine Fähigkeit, in den männlichen Keimdrüsen die Testosteronbildung zu verlangsamen, hat sich das Melatonin wahrscheinlich die Fähigkeit erworben, vor hormonabhängigen Tumoren, wie es z. B. das Prostatakarzinom eines ist, zu schützen.

Kann ein hoher Melatoninspiegel vor Prostatakarzinom schützen?

Die Situation ist allerdings komplexer und soll nicht simplifiziert werden: Nicht jeder Mann mit einem hohen Melatoninspiegel ist vor dem Prostatakarzinom geschützt, genauso wie nicht jeder männliche Zeitgenosse mit einem niedrigen Melatoninspiegel an diesem Malignom erkrankt. Allerdings ist die Tendenz durch zahlreiche unabhängige Untersuchungen verifiziert: ein niedriger nächtlicher Melatoninspiegel ist ein zusätzlicher Risikofaktor für die Ausbildung dieses Krebses. Ob für den zweiten hormonabhängigen Tumor das gleiche gilt, wird derzeit nur vermutet, wiewohl manches dafür spricht: Frauen die ein Mammakarzinom entwickeln, zeigen in der Nacht ebenfalls einen niedrigeren Melatoninspiegel auf, als ihre gesunden Altersgenossenen.
Die krebsschützende und die gefäßprotektive Wirkung des Melatonins hat wahrscheinlich noch andere Ursachen: wie das Vitamin C (Ascorbinsäure), das Vitamin E und das Östradiol ist das Melatonin in der Lage, freie Radikale zu binden, die die Ursache der Zellzerstörung und des Alterungsprozesses sind.
Das Melatonin ist ein derartig kleines Molekül, das auch in jene Zellen und Zellzwischenräume eindringen kann, in die z. B. das Vitamin E nur schwer hinkommt. Vor allem in bestimmten Hirnanteilen, aber auch in der Gefäßwand selbst ist es mitunter derartig eng, daß nur Kleinstmoleküle eindringen können; dazu zählt das Melatonin, das auch auf engsten Raum die noch kleineren, tödlichen Radikale sucht, findet und auch abbindet.

 

Damit ist der Alterungs-hinauszögernde Effekt des Melatonins ein doppelter: einerseits stellt er die Kraft- und Energiesysteme unseres Körpers ruhig und verhindert damit den massiven Elektronenfluß der ein Hauptgrund für die Entstehung besagter freier Radikale ist. Andererseits ist es darüberhinaus in der Lage, diese Radikale, sind sie einmal entstanden, abzubinden und zu neutralisieren. Der Anti-Aging-Effekt des Melatonin verstärkt sich auf dieser Weise.
Noch ein dritter Punkt kommt hinzu. Komplizierte Systeme hat unser Körper geschaffen, um die unweigerlich entstehenden Radikale unschädlich zu machen; es handelt sich dabei um eigene Enzymsysteme, die alters-induzierenden Todespartikel abbinden. Das wichtigste dieser Einfangenzyme, die Hydroxylperoxydase wird vom Melatonin stimuliert.
Viel spricht dafür, daß der Alterungsprozeß tatsächlich ein physikalischer Prozeß ist – wie ja unser gesamter Organismus der Physik und auch der Elektronik unterworfen ist. Elektronenübertragungen spielen bei physikalischen Prozessen eine wichtige Rolle und sind in unserem Körper die Voraussetzung für das Leben, allerdings lösen sie auch das Altern aus. Das Hormon der “Nacht”, das Melatonin wirkt den aktiven Vorgängen des Tages entgegen, es verlangsamt den Elektronenfluß und verringert zwar unsere Leistungskapazität, die ja in der Nacht nicht gefragt ist, dafür verringern sich aber die Radikale, ja darüber hinaus, das Melatonin fängt diese noch ein.

Wie hängen Prostaglandin und Melatonin zusammen?

Zu den Aktivitäten-stimulierenden Systemen unseres Körpers gehören auch die Prostaglandine, fettsäurenartige Verbindungen, die überall dort auftreten, wo sich der Körper gegen Verletzungen wehrt. Wo Prostaglandine im Spiel sind, ist auch viel Aufwand, ist große Energie gefragt. Verletzungen und Traumatisierungen gibt es heute Gott sei Dank weniger als vor 5000 Jahren, trotzdem arbeiten die Prostaglandine mit der gleichen Aktivität.
Das Melatonin scheint auch auf diese Prostaglandin-Synthese modifizierend einzugreifen: nicht daß es dieses Verteidungssystem still legen würde, es reduziert nur dessen Aktivitätskreis, wenn keine Gefahr im Verzug und die volle Prostaglandin-Synthese nicht notwendig ist. Möglicherweise sind die Prostaglandine auch an der Entstehung der Migräne beteiligt; nach ersten Berichten scheint auch die Melatoninproduktion bei Menschen die an Migräne leiden, gestört zu sein. Damit würde sich – neben möglichen anderen Interaktionen zwischen Migräne und Melatonin, der Kreis zu den Prostaglandinen schließen.
Obwohl das Pinealhormon mit dem Alter absinkt, kann man andererseits doch die Melatonineigenproduktion des Körpers anregen. Vor allem der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, abends konsumiert, scheint für eine intakte nächtliche Melatoninproduktion wichtig zu sein, wobei die Unterdrückung des Pinealhormons durch die Genußgifte noch Wochen nach einer beginnenden Alkoholabstinenz nachwirken kann.

 

Die Reduktion der abendlichen Kalorieneinnahme läßt das Melatonin ebenso ansteigen wie eine nicht übertriebene abendliche körperliche Betätigung. Es ist eine Erfahrung, die man selbst mitunter macht: je bescheidener das Abendessen ausfällt, umso besser schläft man; wenn man zusätzlich noch einen Abendspaziergang tätigt, so ist dies ebenfalls förderlich für die Schlafqualität. Eine Erklärung für diese positiven Effekte scheint auch beim Melatonin zu liegen.