Die Lust beginnt im Kopf, aber was macht so richtig Lust? Ein Spray zur Steigerung der Libido, eine Pille gegen die gestörte Erektion? Acht bis zehn neue Mittel zur pharmakologischen Aufrüstung der körperlichen Liebe sind in den kommenden Jahren zu erwarten. Einige setzen auf verbesserte Nachahmungen des Potenzmittels Viagra. Andere verfolgen die Strategie, das eigentliche Lustorgan des Menschen zu stimulieren – das Gehirn. Außerdem wollen die Pharmafirmen auch Frauen beglücken. Bedarf an neuen Lustpillen gibt es genug. Eine Studie der Universität Köln offenbarte, dass in Deutschland vier bis fünf Millionen Männer Probleme mit der Erektion haben. Behandelt werden momentan aber nur annähernd zehn Prozent.

Fortschritte sind oft Zufall

Unklar bleibt, wo der Ursprung dieser Störungen zu suchen ist. Zwar ist das physiologische Geschehen beim Sex recht gut erkundet. Was jedoch im Hirn alles passiert, weiß so genau noch niemand. Wir kennen die Rezeptoren, Hormone und Botenstoffe. Wie und wann die sich gegenseitig beeinflussen, ist noch Gegenstand der Forschung. So ist es auch kein Wunder, dass die Pharmafirmen bei der Suche nach einem omnipotenten Lustverstärker oft nur durch Zufall einen Treffer landen.

Ein Beispiel dafür ist die Entdeckung des Wirkstoffs Melanotan II (s. auch Melatonin). Eigentlich suchten die Mediziner des Krebszentrums in Arizona ein Mittel, das ohne Sonnenstrahlung bräunt. Als sie Melanotan II verabreichten, trat ein kurioser Nebeneffekt auf: Einige der männlichen Probanden – darunter auch Versuchsteilnehmer, die als impotent galten – bekamen spontane Erektionen. Verantwortlich dafür war das in Melanotan II enthaltene Hormon alpha-MSH. Inzwischen laufen schon die Zulassungsstudien für ein erregungsförderndes Nasenspray, das alpha-MSH enthält. Es soll bei Mann und Frau wirken.

Zünder im Belohnungszentrum

Der eigentliche Zünder des Sexualzaubers liegt jedoch im Belohnungszentrum des Gehirns. Dort aktivieren Sexualhormone wie Testosteron und Östrogene Nervenzellen, die für Libido und Erregung zuständig sind. Auch Hirnbotenstoffe wie Dopamin und Serotonin spielen für das Lustgefühl eine wichtige Rolle. Sie stimulieren bestimmte Nervenbahnen, hemmen andere und leiten so die Erregung über das Rückenmark an die Geschlechtsorgane weiter.

Die meisten neuen Medikamente beeinflussen die Aktivität der Botenstoffe Dopamin und Serotonin im limbischen System. Dazu gehört das Hormon alpha-MSH ebenso wie ein Stoff namens VML 670. Da diese Botenstoffe jedoch nicht nur Lust und Erregung, sondern auch Gefühle, Gedächtnis und Lernvermögen steuern, treten dabei immer wieder die überraschendsten Nebenwirkungen auf. Es zeigt sich, dass die komplexe Lustbiochemie noch längst nicht entwirrt ist. Auch sind die Pharmafirmen weit davon entfernt, den einen Schalter zu finden, der – einmal angeknipst – pure Lust garantiert.

Der Zauber bleibt

Doch gelänge es demnächst, durch entsprechende Mittel auch die Lust im Kopf anzuregen, kommt ein zusätzliches Risiko hinzu: Die Erregungssubstanz könnte süchtig machen. Denn das durch Dopamin gesteuerte Belohnungssystem beschert einem Menschen immer dann Glücksgefühle, wenn er etwas tut, was ihn oder seine Art am Leben erhält, etwa Essen oder eben Sex. Dadurch steigt die Motivation, das Gleiche noch einmal zu tun, denn die Lust beginnt im Kopf. Ob sich die Menschen aber überzeugen lassen, sie brauchten Medikamente für ein erfülltes Sexualleben, wird sich zeigen.

Neuere Studien wiesen zudem darauf hin, dass Sexualität an Bedeutung verliere. Das Bedürfnis nach Liebe, Intimität und Partnerschaft sei in den vergangenen 30 Jahren in den Hintergrund gerückt. Sollten Forscher also je mit dem Lusttrank aufwarten können – was kaum möglich scheint – müssten sie konsequenterweise die nächste Hürde nehmen: die Erzeugung der Liebe selbst. Doch diese ist so komplex, dass sie wohl niemand in ihre Einzelteile zerlegen kann.