Im Ayurveda geht es nicht um Proteine und Fette, Kohlenhydrate und Vitamine. Es werden keine Kalorien gezählt, und es gibt kein Idealgewicht. Ayurveda sagt, dass für verschiedene Menschen auch unterschiedliche Nahrungsmittel geeignet sind. Diese unterstützen den Persönlichkeitstyp, gleichen Schwächen aus oder verstärken positive Charakterzüge.

Aus fünf Elementen besteht nach dieser Lehre die Welt: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther (der freie Raum). Und diese Elemente finden sich in verschieden hohen Anteilen bei uns Menschen wieder. Je nach Gewichtung lassen sich drei Haupttypen unterscheiden:

1. Die Persönlichkeit des Vata-Typs ist durch Luft und Äther bestimmt. Sein Körperbau ist leicht, schmal, sehnig. Er liebt vor allem Ausdauersportarten, handelt und denkt schnell, ist spontan.

2. Die Persönlichkeit des Pitta-Typs wird geprägt durch Feuer und Wasser. Er hat einen ausgewogenen Körperbau, liebt Wettkampfsportarten, Herausforderungen und Perfektionismus.

3. Der dritte Typ ist der Kapha-Typ, dominiert durch Erde und Wasser. Von kräftiger und gedrungener Statur, neigt er manchmal zu Übergewicht. Er ist bedächtig und schläft gern und viel, Sport ist nicht seine Sache.

Die meisten Menschen können keinem dieser Typen hundertprozentig zugeordnet werden, sondern sind “Mischungen”. 

Der Grundsatz im Ayurveda: Übermaß regulieren, Schwaches fördern

Wozu diese Einteilung? Ayurveda sagt, dass jeder Mensch seinem Typ gemäß leben muss, um im Gleichgewicht zu bleiben. Das bedeutet, ein Übermaß regulieren, schwache Punkte fördern. Von der Berufswahl bis zur Freizeitgestaltung, von den Farben der Kleidung und der Wohnung bis zu den Düften, mit denen man sich umgibt – all dies kann nach dem ayurvedischen System geordnet werden. Am eindrucksvollsten zeigt sich die Weisheit der alten Gesundheitslehre jedoch in der Ernährung. So wie die Menschen, so können nämlich auch Nahrungsmittel den verschiedenen Grundtypen zugeordnet werden: Süß/sauer/salzig dämpft Vata und verstärkt Kapha; scharf/bitter/herb dämpft Kapha und verstärkt Vata. Pitta wird von süß/bitter/herb gedämpft, von scharf/sauer/salzig gefördert. Hinzu kommen noch die typischen Eigenschaften schwer/leicht, ölig/trocken, heiß/kalt.

Ayurveda empfiehlt nun nicht, die Lebensmittel zu essen, die dem eigenen Typ entsprechen, sondern gegenteilige Nahrung zu sich zu nehmen, die ausgleichend wirkt.

Ein Beispiel: Der Vata-Typ ist schlank und sehnig, nervig, rastlos, phantasievoll. Vata-Nahrungsmittel haben die Eigenschaft “trocken/kalt” – zum Beispiel Salate oder kalte Getränke. Das nun ist nicht das Richtige für unseren Vata-Menschen. Er sollte sich, auch wenn es ihm anfangs nicht recht schmeckt, von öligen/warmen Gerichten ernähren: nahrhafte Eintöpfe, warme Milch, Reis, Nudeln, Suppen. Ayurvedisch Kochen bedeutet nicht asiatische Kochkunst – seine grundlegenden Prinzipien sind in fast allen Volksküchen der Welt zu finden. Eine wichtige Rolle spielen im Ayurveda die sechs Geschmacksrichtungen. Idealerweise sollten alle in einer Mahlzeit enthalten sein oder über die gesamten Mahlzeiten verteilt jede Geschmacksrichtung wenigstens einmal am Tag aufgenommen werden.

 
Süß: anregend auf die Bauchspeicheldrüse, allgemein beruhigend
Sauer: anregend und kräftigend auf die Magendrüsen, stimuliert am stärksten die Speichelsekretion, stellt zufrieden
Salzig: appetitanregend, beeinflusst den Wasserhaushalt, stabilisierend
Scharf: anregend auf den Stoffwechsel, Wärmeerzeugung, reinigend, aktivierend
Bitter: reinigend und klärend, stimuliert Leber und Galle, belebt
Herb: zusammenziehend, schleimhautberuhigend, trocknend, belebend
 
Und noch etwas: Ayurveda-Gerichte werden immer frisch zubereitet, sind nicht zu scharf, zu schwer, zu süß. Sie unterstützen die geistige Lebendigkeit des Essers und wurden mit Freude und in gelöster Atmosphäre zubereitet. Essen hält Leib und Seele zusammen – dieses alte deutsche Sprichwort könnte von einem ayurvedischen Koch stammen.

Ayurvedische Ernährungsregeln

Essen Sie mit Ruhe, in einer stillen, schönen und sauberen Umgebung. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Essen. Kauen Sie gut, und beschäftigen Sie sich während der Mahlzeiten nicht mit anderen Dingen wie Fernsehen oder Lesen. Die Tischgespräche sollten erfreulich sein. Legen Sie immer Wert auf schmackhaftes Essen. Vergessen Sie nicht, dass die Augen mitessen. Versuchen Sie, möglichst jeden Tag zu den gleichen Zeiten zu essen. Essen Sie weder zu schnell noch zu langsam. Ihr Magen sollte nach dem Essen zu etwa drei Vierteln gefüllt sein (zwei Viertel mit fester Nahrung, ein Viertel mit Flüssigkeit). Lassen Sie – je nach Verdauungskraft – etwa drei bis sechs Stunden zwischen den Mahlzeiten vergehen. Dann ist die vorhergehende Mahlzeit vollständig verdaut, und es ist ein Hungergefühl vorhanden. Kalte Getränke schwächen die Verdauungskraft und sind zu meiden. Bevorzugen Sie zu den Mahlzeiten warme Getränke.
 
Verwenden Sie vorwiegend frische Produkte aus heimischen Regionen. Das Essen sollte frisch zubereitet, wohlschmeckend, bekömmlich und warm sein. Vermeiden Sie aufgewärmte und abgestandene Speisen. Der sicherste Weg, sich richtig zu ernähren, ist das Vertrauen in den eigenen Körper. Meiden Sie Sauermilchprodukte, tierisches Eiweiß und Rohkost am Abend, da all dies vor dem Schlafen schwer verdaulich ist. Das Mittagessen sollte die Hauptmahlzeit des Tages sein. Essen Sie Süßspeisen zuerst, denn Süßes ist am schwersten verdaulich. Frühstück und Abendessen sollten leicht sein. Essen Sie nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen. Nach dem Essen sollten Sie sich ein paar Minuten Ruhe gönnen. Warum wird die Stärkung der Verdauungsleistung des Körpers so betont? Das Verdauungsfeuer Agni steuert auch die fein abgestimmte Umwandlung der Nahrungsbestandteile in Energie und/oder Körpermaße. Je hochwertiger die Nahrung ist und je besser sie auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist, desto besser brennt das Verdauungsfeuer – und desto gesünder ist und bleibt der Mensch. Getreu dem Motto: “Der Mensch ist, was er isst!” Wenn Agni lodert, also Verdauung und Stoffwechsel gut arbeiten, kann der Körper selbst mit kleinen Sünden fertig werden.

Wie kommen die so verschiedenen Ernährungspläne zustande?

Einer der Vorteile der ayurvedischen Ernährung ist die Individualität, das heißt, es gibt nicht eine bestimmte Kost oder Diät, die für alle gleich gut geeignet ist, sondern der Ernährungsplan berücksichtigt unterschiedliche Stoffwechselleistung und Verdauungskraft der verschiedenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Konstitutionstypen. Ein Pitta-Typ wird beispielsweise beneidenswert viel essen können, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Der Kapha-Mensch hingegen wirft einen Blick auf so manche kalorienreiche Leckerei und hat sie bereits auf den Hüften oder dem Bauch – in Form von Fettpölsterchen.

Wie koche ich für Familie oder Freunde, wenn jeder einen anderen Konstitutionstyp verkörpert?

Man kann aufgrund der Kombination der Zutaten, Gewürze und Kräuter eine Mahlzeit so zubereiten, dass alle drei Doshas ausgeglichen werden, das heißt, kein Prinzip wird besonders angeregt. Diese Form des Kochens findet sich in den Volksküchen wieder, ein altes Wissen – lange bewahrt. Beispielsweise regt Spinat Vata an, wird er jedoch mit Olivenöl und Knoblauch zubereitet (wie ihn die Italiener schätzen), wirkt er ausgleichend. Keines der Doshas wird besonders erhöht, aber auch nicht gesenkt. Eine andere Möglichkeit ist das nachträgliche Würzen der Speisen. Hier kann durch die entsprechende Würzmischung jeder auf seine akuten Störungen einwirken.

Wie esse ich mittags als Berufstätiger, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, für mich zu kochen?

Wer berufstätig ist und daher mittags sein Essen nicht selber frisch zubereitet, kann trotzdem seine Ernährung gesund gestalten. Erster Schritt ist ein Verzicht auf sogenanntes Junk-Food (kalorienreiche, nährstoffarme, “künstliche” Lebensmittel). Es gibt immer eine Alternative, beispielsweise der vegetarische Snack aus dem China-Imbiss. In der Kantine sollte Salaten, Nudeln, Reis, Gemüse oder Fisch der Vorzug gegeben werden. Dort, wie überall, besteht die Möglichkeit des Nachwürzens mit den individuellen Gewürzen – die passe in jede Hand- oder Aktentasche.

Welches ist abends die vernünftigste Ernährung?

Abends sollte etwas leicht Verdauliches wie Gemüse und Reis oder eine Suppe genossen werden. Suppen sind ohne viel Aufwand schnell zubereitet und Gemüse aus dem Wok steht in kurzer Zeit vitaminreich und leicht auf dem Tisch. Wer häufig auswärts essen muss, sollte sich besonders abends bei verschiedenen Lebensmitteln zurückhalten: Salat und Rohkost, schwere Fleischgerichte, sehr fettige Speisen wie Frittiertes und Alkohol. Eine wahrhaft ayurvedische Speisekarte findet sich beim Italiener: Tagesgemüse mit Nudeln, vielleicht etwas Fisch oder ein Kalbsschnitzel dazu. Denn der Ayurveda verlangt nicht, vegetarisch zu leben. Aber er empfiehlt eine leicht verdauliche, ausgewogene vegetarische Kost gegenüber zu viel Fleischkonsum.
 
Wer dennoch nicht auf Fleisch verzichten möchte oder kann, der sollte versuchen, bewusster damit umzugehen, das heißt, möglichst leichtes und unbelastetes Fleisch in Maßen zu sich nehmen (Geflügel wäre Rind und Schwein auf jeden Fall vorzuziehen). Und wer trotzdem mit schweren Gliedern aufwacht, die Augen kaum aufbekommt und sich schlecht fühlt? Der sollte auf das Frühstück verzichten und dem Körper die Möglichkeit geben, sich etwas zu erholen. Ein spätes und womöglich schweres abendliches Essen kann in der Ruhephase über Nacht nicht gänzlich verdaut werden. Daher sollte dem Körper die Möglichkeit gegeben werden, diese Arbeit zu Ende zu führen und sich etwas zu regenerieren. Statt reichhaltigem Frühstück empfiehlt es sich, ein Glas warmes Wasser mit Zitrone und Honig zu trinken – das reinigt.